Aberglaube und Brauch aus den Kreisen Bütow und Lauenburg von A. Archut
Erstveröffentlichung in: Blätter für Pommersche Volkskunde, III. Jg. 1894/95 S.122-123


V. Geburt, Taufe und Kindheit

(W. bedeutet Wusseken im Kreise Bütow, F. ist Königl. Freist im Kreise Lauenburg)

  1. Jedes einundzwanzigste Mädchen, das in einem Kirchspiel geboren wird, muß ledig bleiben. F.
  2. Werden in einem Jahr mehr Knaben als Mädchen geboren, so giebt es Krieg. W.
  3. Kindern soll man nicht vor der Taufe den Namen geben, sonst werden sie klatschsüchtig. F.
  4. Die Paten sollen vor der Taufe nicht die Oberkleider ablegen, sonst reißen die Kinder sehr die Kleider. F.
  5. Wenn bei einem Kinde lauter alte Personen zu Paten genommen werden, wird das Kind auch alt, ehe es sich einmal verheiratet. F.
  6. Täuflinge sollen von den Paten auf dem rechten Arm über die Taufe gehalten werden, sonst werden die Kinder links. Massow.
  7. Ein Bauer stand bei einem Täufling 3 Mk. 10 Pf. (d. h. er legte so viel in den Patenzettel). Wozu noch die 10 Pfennige? Nun, da hat das Kind sein Lebtag stets Groß- und Kleingeld. F.
  8. In dem Dorfe Gumenz, Kr. Rummelsburg, sagt man: Kinder, die in der Mutterkirche zu Zettin getauft werden, sind später fromm und gutmütig; diejenigen aber, welche die Taufe in der Tochterkirche zu Treblin empfangen, tragen den Kopf hoch und sind stolz.
  9. Bringen die Paten das Kind von der Taufe zurück, so sprechen sie: Ne Heide neihm wi mit, ne Christe bring wi wedder! Und der Täufling wird nun mit den Worten begrüßt: So lang weerscht du he Heid, nu bist du he Christ! Häutet sich nachher das Kind, so heißt es: Dat is de Heidehut, die afplustert, å die is immer gäl. Die Haut des Christen ist dagegen weiß. W.
  10. Die leere Wiege soll man nicht rühren, sonst bekommt das Kind Kopfweh. W.
  11. Niesen kleine Kinder, so wird ihnen zugerufen: Help Gott, dat du fromm å grot warscht! W.
  12. Wenn kleine Kinder den Schluckauf kriegen, dann wächst ihnen das Herz. W.
  13. Wenn Säuglinge kräftig wachsen, so glaubt man, sie werden nicht lange leben. Man drückt das so aus: Sei wasse dem Dod‘ entgegen. W.
  14. Wenn kleine Kinder viel weinen, so sagen alte Leute: Dat gifft ball Regen. F.
  15. Wenn Säuglinge viel schreien, geht man mit ihnen über drei Hausthürschwellen (Sill). Das Geschrei wird dann aufhören. Die betreffenden Thüren müssen aber offen sein; auch darf dabei nicht gesprochen werden. F.
  16. Hat sich ein Kind den Nabel ausgeschrieen, so soll man denselben dreimal mit dem Stocke eines Prachers bedrücken, sodann den Stock schweigend an die Stelle zurückbringen, von der man ihn genommen hat. F.
  17. Säuglinge sollen sich nicht küssen, weil ihnen sonst das Erlernen der Sprache schwer fällt. Aus demselben Grunde soll man die Kinder unter einem Jahr nicht auf den Tisch sitzen lassen. W.
  18. Klopft man Säuglingen mit der Hand auf den Mund, und sei es auch nur im Scherze, so lernen sie schwer sprechen. Schlägt man sie auf den Rücken, so stottern sie. W.
  19. Ist ein Kind immer sehr hebbrig (gierig) nach dem Essen und es soll ihm abgewöhnt oder vertrieben werden, so muß die Mutter des Kindes neunerlei essen und dabei zugleich neunerlei Arbeit thun. Das Kind muß während der Zeit in einen Kasten gelegt werden, dessen Deckel so lange zuzuklappen ist. F.
  20. Wird kleinen Knaben möglichst früh ein Mädchenrock angezogen, so erhalten sie später bei Heiratsanträgen keinen Korb. W.
  21. Kinder dürfen im ersten Lebensjahr nicht in den Spiegel sehen, sonst graut ihnen, wenn sie groß sind. W.
  22. Bis das Kind ein Jahr alt ist, muß es vor dem Regen geschützt werden, sonst bekommt es Sommersprossen. W.
  23. Kleinen Kindern soll man nicht über den Kopf springen, sonst wachsen sie nicht. Dasselbe geschieht, wenn man sie Ding schimpft. W.
  24. Beim Entwöhnen der Kinder müssen sich die Mütter mit den Kleinen auf einen Stein setzen, dann bekommen die Kinder keine Zahnschmerzen. F.
  25. Wenn die Kinder früh Zähne bekommen, giebt es bald wieder welche (nämlich Kinder). F.
  26. Wenn die Kinder die ersten Zähne früh und im Oberkiefer bekommen, so sollen sie nicht lange leben. F.
  27. Will man kleine Kinder vom Genusse unreifen Obstes abschrecken, so sagt man zu ihnen: Dat decht noch nich, doar is noch Schnåkeblaut in. W.


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