Geschichten aus dem Bütower Land von Fritz Pallas
Erstveröffentlichung in: Ostpommersche Heimat 1939 Nr. 4


2. Das "Niljensküken"

Wenn in früheren Jahren der "Hebammsvater" von seinem Heimatdorf in das Städtchen Bütow kam, um Tabak und Semmeln, Priem und Prise und Mandelseife und was er sonst noch so alles brauchte, einzukaufen, dann kehrte er manchmal bei einer altbekannten Familie ein, die früher auch mal auf dem Lande, in seinem Dorfe, gewohnt hatte.

Den größten Teil der gekauften Sachen hatte er in sein mächtiges rotes Schnupftuch mit den weißen Kullern darauf eingeknotet. Wenn er das auf die Spiegelkommode leget und seine dicken Kreuzdornstock daneben stellte, umringten ihn schon die Kinder mit vielen Fragen und verfolgten jede Bewegung mit großem Interesse. Gewöhnlich langte er dann in eine der großen Manteltaschen und holte neben Prisdose, Tabackspfeife und sonstigen Sachen auch eine Tüte Bonbons hervor und fischte für jeden einzelnen ein besonders schönes Stück heraus. Manchmal konnte man all die Herrlichkeiten, die in der unergründlichen Tasche verstaut waren, durchschmecken; aber das machte gar nichts aus.

Wenn dann der Alte endlich im Kreise der Familie saß, kam er mit großer Leichtigkeit ins Erzählen. Die Kinder, die sich dicht neben ihn gedrängt hatten, sperrten Mund und Augen bei seinen Geschichten auf und guckten ihm so weit in das Gehege seiner Zähne, dass sie schon immer drei Wörter seinen gesprochenen Worten voraus waren. Er konnte in seinem Erzählen die ganze Tonleiter der Gefühle durchlaufen: vom tollsten Spaß bis zum gruseligsten Spuk. –

Hier kommt nun eine seiner Geschichten von der lustigen Sorte:

Vor langen Zweiten hatte sich ein Bauer mit dem Teufel eingelassen. Er hatte von dem gehörnten viele Jahre lang gute Hilfe gehabt. Nun war diesem aber der Geduldsfaden gerissen, und er verlangte von seinem Schuldner die Seele.

"Na, den helpt dat nischt!" sagte der Bauer und handelte doch noch so lange mit dem Teufel herum, bis der ihm folgendes zugestand: Der Böse sollte nur dann mit der Bauernseele abziehen dürfen, wenn er erraten könnte, was ihm der Bauer nun draußen auf seinem Hofe vorführen werde. Der Herr Hinkefuß war recht neugierig, was das wohl Seltsames sein könnte.

Der Bauer verschwand im Stall und rief leise seine Frau herzu. Sie musste sich schnell splitternackt ausziehen. Inzwischen hatte der Mann schon den Teerkübel aus der Ecke geholt und bestrich sein Weib von oben bis unten mit Teer. Aus der Knechtskammer schleppte er alsdann das schwere Deckbett herbei und schnitt es auf. Die Federn quollen in dicken Haufen heraus, und die beteerte Frau wälzte sich darin, bis sie über und über mit Federn und Daunen bedeckt war und wie ein riesiger Vogel aussah.

Auf allen Vieren musste sie mit aufgelöstem Haar rückwärts auf den Hof kriechen, und nun rief der Bauer den wartenden Teufel heraus, damit er seine Ratekunst beweisen könnte. Der bekam aber solch eine Schreck, als dieses seltsame Tier drohend und fauchend auf ihn zukroch, dass er sich zur Tür zurückzog und unwillkürlich fraget: "Dunner und Doria" Wat is dat for e Beest?"

"Dat is e Nilljensküken!" beeilte sich der Bauer zu sagen: "siehstewoll, du häst em nich utrode!"

Der Teufel dachte aber auch gar nicht mehr ans Seelenabholen. Ihm war die Stimme so verschlagen, dass er nur noch sagen konnte: "Na, wenn dat dat Küken is, denn will ick de Kluck gor nich erst seihe!" Und schon fuhr er ab zur Hölle.


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