Geschichten aus dem Bütower Land von Fritz Pallas
Erstveröffentlichung in: Ostpommersche Heimat 1939 Nr. 6


6. Der verwandelte Trauerzug

Eine ähnliche Geschichte wußte der Hebammsvater von dem Dorfe Borzyskowo, das ungefähr eine Meile südlich von Reckow – heute schon jenseits der Grenze – liegt, zu erzählen.

Dort war vor vielen Jahren ein Bauer, ein alter Kaschube, gestorben. Der ganze katholische Trauerzug bewegte sich zu dem vom Dorfe entfernten Friedhof hin. Die Fahnen flatterten im Winde, und die Trauergesänge tönten weit über die Felder.

Der Sarg wurde auf einem Ackerwagen des Toten gefahren. Oben auf dem Sargdeckel saß der Knecht und zügelte die Pferde, die bei so leichter Last eine andere Geschwindigkeit gewohnt waren, zu langsamem, feierlichem Gange.

Der Trauerzug war nicht mehr weit vom Friedhof entfernt. Da gab es vorn an der Spitze plötzlich einen großen Tumult. Der Knecht flog von seinem feierlichen Sitz plötzlich zur Seite herunter. Der Sargdeckel hob sich etwas empor, und der Totgeglaubte guckte verwundert darunter hervor. Ein mächtiger Schrecken ließ die ganze Menge erstarren. Dann stürzte die gesamte Trauergemeinde schreiend und betend und sich bekreuzigend Hals über Kopf zum Dorfe zurück. Hinterher humpelte mit Riesenschritten der Knecht, der sich arg zerstoßen hatte.

Der Wiederlebendiggewordene rief ihnen mit beruhigender Stimme nach: "Putz najit! Putz najit!" – Kommt zurück! Kommt zurück! Aber jeder glaubte nur, das Gespenst oder der Teufel säße ihm schon auf den Hacken, und alle holten aus ihren Beinen heraus, was herauszuholen war.

Der Bauer im Sarg mochte rufen und winken so viel er wollte, keiner wandte auch nur einmal den Blick zurück. Nun wollten auch die Pferde, die solange unruhig hin und her getreten hatten, scheu werden. Dem "Toten" blieb nichts anderes übrig, als vom Wagen herunterzusteigen, selbst Leine und Peitsche in die Hand zu nehmen und das Gefährt umzuwenden. Dann setzte er sich nun oben selbst auf seinen Sarg und fuhr langsam der enteilenden Trauergemeinde nach.

Als er in das Dorf einfuhr, erkannten die Bewohner endlich, dass es wirklich der alte Bauer und nicht ein Gespenst war, das dort oben kutschierte.

Nun war die Freude groß, und alt und jung fanden sich schnell ein, um das bereitstehende Trauermahl verzehren zu helfen. Die Hauptperson selbst war gar nicht einmal böse darüber, dass nun die ganzen Begräbnisausgaben umsonst gemacht worden waren und ließ noch obendrein immer neue Speisen und Getränke auffahren. Und die zuerst am schnellsten das Hasenpanier ergriffen hatten, ließen den Wiedergekehrten nun am kräftigsten hochleben.


(Siehe zu dieser Geschichte die Vorbehalte des Herausgebers)


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